Tighten-Up-Cologne


Thomas Berghaus (Uptown Strut/Family Vision Care, Köln)
September 17, 2008, 9:47 am
Filed under: Interview

Pünktlich zum Erscheinen der 2. Ausgabe des Magazins „Uptown Strut“ haben wir hinter die Kulissen des kölner Verlages „Büro9“ geschaut. Was wir erfahre konnten: Verantwortlich für die Uptown Strut sind nicht nur sehr talentierte Redakteure, sondern vorallem Liebhaber und Musiker, die dem Magazin wirklich Authentität verleihen. Thomas Berhaus ist der Verleger, Chefredakteur und ausserdem Teil der Kölner Formation „Family Vision Care“.

(Interview vom 12.09.2008, Thomas Berghaus/Dan45)

Thomas, Kannst du Dich kurz vorstellen!? Wie bist Du zur Musik/Werbung gekommen?

Name: Thomas Berghaus, Jg 71

Beruf: Kommunikationsberater, Verleger

Berufung: Musiker, Musikproduzent

Zur Musik kam ich bereits sehr früh, Anfang der Achtziger. Mein älterer Bruder bewegte sich damals in der New Wave / Punk Szene und in seinem Freundeskreis waren viele Musiker. Mit 12 fing ich an, Schlagzeugunterricht zu nehmen und lernte Sex Pistols-Songs auf der Gitarre. Ende der Achtziger wurde ich vom Mod-Virus angefixt und entdeckte meine Liebe zur Schwarzen Musik, die bis heute ungebrochen ist. Zur Werbung kam ich viel später, Mitte der Neunziger. Zuvor versuchte ich einige Jahre von einem Tonstudio zu leben – ein Versuch der angesichts von Garagen-Bands, die nie mehr als 100 Mark zahlen konnten, kläglich scheiterte. 1995 war ich dann ein Kind der schrecklichen New Economy – ich habe viel Geld mit Multimedia-CD-Roms und all diesem Kram gemacht und tatsächlich geglaubt, dass digitale Medien mir ein Leben lang als Lebensinhalt reichen würden. Heute versöhnen mich Webseiten wie Deine oder der wunderbare „soulsender“ mit dieser Multimedia-Lebensphase.

Wie schafft man es einen Verlag/Werbefirma, die Uptown Strut, und das Musiker-Dasein unter einen Hut zu bringen?

Als Musiker musste ich mich bereits als junger Mann mit Anfang 20 damit abfinden, dass bei meinem Musikgeschmack das große Geld nicht zu machen sein wird – zumindest nicht ohne Verrat an mir selber. Dennoch weigere ich mich heute meine Musik als „Hobby“ zu bezeichnen. „Hobby-Musiker“ spielen in Top-40-Cover-Bands oder auf Feuerwehrfesten. Dazu kommt, dass ich meine Arbeit als Verleger genauso liebe, wie die Musik. Die Arbeit in einem Verlag für Musikliteratur in Einklang mit meinem Schaffen als Musiker zu bringen ist also recht unproblematisch. Die Arbeit in der Werbeagentur hingegen bringt das tägliche Brot und finanziert noch zu großen Teilen die anderen Felder. Wobei ich auch hier mit den Jahren erkannt habe, dass ich nur gute Arbeit abliefere, wenn die „Chemie“ stimmt. Heute habe ich das große Glück, ausnahmslos für Kunden zu arbeiten, die mir auch menschlich sympatisch sind. Wir machen halte keine fiesen Sachen, sondern vielmehr ehrliches, solides Handwerk. Auch für die Werbung muss ich mich heute (nach 13 Jahren Berufserfahrung) nicht mehr verbiegen.

Wie ist der Verlag Büro9 entstanden?

In einer Werbeagentur gibt es immer wieder Phasen, in denen man verdammt viel arbeitet, und dann wieder Phasen, wo es sehr ruhig wird. Wir wollten zunächst die Löcher mit dem Verlag stopfen und in den Phasen, wo Zeit ist, Dinge gestalten, die uns auch inhaltlich wirklich bewegen.

Wie kam es zu der Herausgabe der Uptown Strut, gab es eine Besondere Intention? Welcher Gedanke steht dahinter?

Zunächst wollten wir als Grafik-Designer etwas in Richtung Editorial-Design machen und zeigen, dass wir das können. Inhaltlich war (bei meinem Background) natürlich schnell klar, worum es gehen sollte. Wir haben uns zunächst angeschaut, was es gab: die Wax Poetics war uns zu amerikanisch (überhaupt keine deutschen Themen), die Jazz Thing war uns zu verkopft und deckte unsere Themen nur am Rande ab. Die Nische war gefunden. Über Unique hatte ich den Kontakt zum Vertrieb Groove Attack und fand die Idee reizvoll, ein Magazin zu machen, das in Plattenläden ausliegt. Druckerschwärze und Vinyl, dass passt gut zusammen.

Mit welchen Themen beschäftigt Ihr Euch?

Als Musikmagazin natürlich in erster Linie mit den Künstlern und Ihren Werken. Besonders spannend finde ich es jedoch, gerade auch Themen zu finden, die im Umfeld unsere Musik angesiedelt sind. So haben wir beispielsweise in der zweiten Ausgabe eine Geschichte zu Reid Mildes, der jahrelang Grafiker bei Blue Note war und das komplette visuelle Bild des Jazz, wie wir es heute kennen, geprägt und mit erfunden hat.

Mir persönlich war bei der ersten Ausgabe ein bisschen zu wenig Funk. Wenn, hat man sich viel mit Retrofunk beschäftigt (bsp. Shake Out). Woran liegt es, zu viele Souler im Boot? Kann man in die Richtung noch mehr erwarten?

Ich denke geschmacklich gibt es viele Dinge, die Du mit mir und der kompletten US-Redaktion teilst, da wird sich sicherlich auch für Dich in Zukunft einiges finden. Jedoch würde ein Magazin, auf Dich zugeschnitten, keine Auflage von 10.000 Exemplaren rechtfertigen, sondern sich eher Richtung Fanzine bewegen. Das können bzw. wollen wir nicht. Wenn wir anfangen, noch zwischen Soul, Funk und (Dancefloor-) Jazz zu unterscheiden, wird das nix mit unserem Magazin. Wenn jeden Leser 50% der Artikel wirklich interessieren, ist schon viel erreicht. Bei der Jazz thing, dem Rolling Stone, der Spex, und allen anderen Magazinen haben mich persönlich bislang meist maximal 5% der Artikel interessiert…

Wer ist beteiligt an dem Magazin? Wer schreibt Eure Artikel?

Vieles schreiben wir selber. Das heißt Stefan Riese, der Art Director, und ich. Andere Autoren stammen aus meinem privaten Umfeld: Eric Kursiefen, der die Dynamik Eric´s 45 Review schreibt, ist beispielsweise ein Jugendfreund von mir. Wir wollten eine gute Mischung aus Laien, Profis und den Machern „aus der Szene“ (wenn es so was gibt) finden. Was unsere Profis angeht, haben bislang Reinhard Jellen und Jonathan Fischer für uns geschrieben – beide gestandene Schreiberlinge für die Spex, den Rolling Stone, die Zeit, Spiegel etc. Das Wichtigste bei einem Soul-Magazin ist, dass es Soul hat, und das erreicht man nach meiner festen Überzeugung nur, wenn genau dieser Mix stimmt.

Die Ausgabe steht Gratis in über 200 Plattenläden, wie finanziert Ihr Euch?

Zunächst: Wir zahlen drauf. Gegen die Gepflogenheiten im deutschen Zeitschriften-Markt sind wir jedoch der Meinung, dass ein Magazin wachsen muss und nicht nach Ausgabe 2 Gewinne abwerfen kann. Prinzipiell ist das Magazin darauf ausgelegt, werbefinanziert zu sein. Kleine Indie Labels haben kaum Geld für Werbung und bei einem zu engen thematischen Fokus sind wir für die Werbetreibende Industrie nicht interessant. Es gilt also in Zukunft genau diese Schrauben zu justieren: Thematisch die Zielgruppe nicht zu eng anzugehen (wir sind kein Fanzine) und dennoch nicht beliebig zu werden. Außerdem ist es kein Geheimnis, dass die uptown strut wahrscheinlich einmal ein Kaufmagazin werden wird. Ich kann jedoch versprechen, dass es mit Sicherheit in 2009 noch zwei Ausgabe für lau geben wird.

Du bist selbst Herausgeber und steckst viel rein, was verbindet dich persönlich mit dem Magazin?

Ganz am Anfang, als ich Reinhard Jellen angesprochen habe, ob ich seinen Artikel über Northern Soul (den Artikel gab es bereits auf Telepolis) veröffentlichen dürfte, fragte mich Reinhard: „Was ist denn das für ein Magazin? Ein Musikmagazin oder ein Werbeblättchen?“, „Eine Schnaps-Idee“, sagt ich ihm. Und genau das ist es heute auch noch. Für mich persönlich ist die uptown strut ein Wagnis. Die Frage ob ich es schaffe, bloß mit purer Leidenschaft und unendlichem Engagement genug Leser zu erreichen, dass es irgendwann auch finanziell funktioniert – ein spannendes Experiment.

Wo seht Ihr Euer Publikum? Sammler, Liebhaber, Konsumenten? Jung, Alt?

Ich sehe das genauso wie mit meiner Musik. Nun komme ich aus der Werbung und kenne all diese Zielgruppen-Analysen nur zu gut – das nervt mich unendlich. Meine Musik und unser Magazin soll jeder lesen bzw. hören, der sich dafür interessiert. Ich finde es schrecklich in Kategorien wie Sammler oder Liebhaber zu denken. Wenn ich mir als Musiker ein Bild von meinem Hörer mache, um ihm zu gefallen, ist das unappetitlich und genau der falsche Weg. Ich bin da als Ex-Mod etwas gebranntmarkt: Dieses Denken, man müsse irgendwie cool sein oder einer Szene angehören, um einfach gute Musik zu mögen, ist so mit das Schlimmste, was ich kenne…

Kann man nach der ersten Ausgabe bereits Bilanz ziehen? Wie wird das Magazin angenommen?

Man kann zumindest sagen, dass die, die das Magazin gelesen haben, es auch toll fanden. Die Reaktionen sind jedenfalls deutlich emotionaler wie bei meiner Musik. Viele unsere Leser haben bereits seit Jahren überhaupt kein Musikmagazin mehr gelesen, da sie und ihre Musik in der deutschen Medienlandschaft einfach nicht vor kamen.

Die 2. Ausgabe hat ja schon wesentlich zugelegt, wohin soll es gehen mit der Uptown Strut?

Man versucht sich natürlich immer zu steigern. Die zweite Ausgabe ist doppelt so dick wie die erste – ich denke damit erreichen wir langsam den Umfang, der uns vorschwebt. Thematisch könnte das Magazin nach meinem persönlichen Geschmack noch einen Hauch breiter aufgestellt werden.

Die erste Ausgabe hatte als Titelthema „20 Jahre Unique“, Außerdem bist du mit deiner Band „Family Vison Care“ auf dem Label und bald wird über Euren Verlag auch ein Buch über Unique erscheinen. Was verbindet dich mit Unique?

Ich habe bereits 1991 eine 7-inch mit meiner damaligen Band, den „Smashful Shapes“, auf Unique veröffentlicht und kenne Henry Storch jetzt genau 20 Jahre. Bei der ersten Ausgabe fehlten uns auch noch die Kontakte, die wir in rasantem Tempo im letzten Jahr knüpften – da lag es nah, was zum 20sten von Unique zu machen. Das Buch gab es ja bereits als eine Diplom-Arbeit vom Autor Max Gadatsch. Als mir Tino die Diplom-Arbeit zeigte, war ich in zweierlei Hinsicht begeistert: Zum einem aufgrund der tollen Fotos und dem super Grafik-Design von Max, zum anderen spiegelt sich in der Geschichte des Labels auch ein Teil meiner eigenen Vergangenheit. In den Jahren 1991 bis ca. 1994 habe ich einige der Unique-Acts wie die Tommyknockers oder die Embryonics selber im eigenen Studio aufgenommen.

Kannst du uns was über „Family Vison Care“ erzählen? Wer steckt dahinter? Was habt Ihr bereits gemacht? Wie würdest du Euren Sound beschreiben?

1993 erschien das erste Album von Family Vision Care auf Unique (wo sonst?). Damals stark beeinflusst von alldem, was man seinerzeit gehört hat: Acid Jazz, Disco, aber vor allem Acid Jazz. 1994 traf ich auf Gary Harrison, einem Sänger aus New York, der in Köln lebt. Wir haben in dieser Zeit so um die fünf Songs zusammen aufgenommen, die leider nie veröffentlicht wurden. Im Herbst 2006 bot sich mir die Chance das Projekt wieder aufleben zu lassen, da Nick Recordkicks einen Song von damals auf seinem Label veröffentlichen wollte. Natürlich landete ich wieder bei Unique statt bei Nick und ich arbeitete mit Gary an einem neuen Album. Ich beobachtete, was so in den letzten Jahren passiert war: Ich war 12 Jahre völlig weg vom Geschehen und sah nun wie Daptone einen Sound machte, den ich bereits 1988 gehört hatte. Henry machte die Sweet Vandals und alles klang wieder sehr, sehr 60s/70s. So sehr mir diese Sachen auch gefallen, mir war das zu langweilig. Bereits zu den Hoch-Zeiten von Acid Jazz kreuzten wir alten Soul und Funk mit modernen Beats. Retro-Bands mit 60s-Klamotten, Vox-Verstärkern und Rickenbacker-Gitarren waren für mich nur als Mod Ende der Achtziger ein Thema. Die Idee von Family Vision Care 2008 war es, die Liebe zu altem Soul und Funk eher textlich und verbal umzusetzen, musikalisch aber aus dem Fundus der kompletten vergangenen 40 Jahre zu schöpfen. Ziel war es vor allem „zeitlos“ zu klingen.

Zum Abschluss: Was kann man noch von der Band erwarten und liegt was in der Pipeline was man schon verraten kann?

Nachdem ich jetzt gemeinsam mit Gary fast zwei Jahre zusammen an neuen FVC-Songs gearbeitet habe, möchten wir zunächst wieder eigene Wege gehen. Gary singt in verschiedenen anderen Projekten und ich habe als „shareholder tom“ schon wieder eine neue Baustelle aufgemacht. Ich möchte mich nicht mehr auf eine/n Sänger/in festlegen, sondern mit ganz unterschiedlichen Menschen völlig verschiedene Dinge machen. Mein erstes Projekt war nun die Zusammenarbeit mit der Sängerin Fijori. Fijori stammt ursprünglich aus Eritrea und lebt heute in der Nähe von München. Ihren Song „Single Warrior“ veröffentlichen wir nun gemeinsam (man höre und staune) nicht bei Unique, sondern auf dem Kölner Label Soulplex Recordings, wobei Unique uns nach wie vor tatkräftig unterstützt. Derzeit warten wir gespannt auf einen Remix für die B-Seite, an dem die niederländischen AIFF gerade kräftig schrauben…

Vielen Dank Thomas, weiterhin viel Erfolg mit der Uptown Strut und als Musiker!

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